Eine Story über das Single sein im Corona Sommer, Bekanntschaften auf Instagram und warum Ghosting verdammt nochmal einfach asoziales Verhalten ist.
Juni 2020. Corona Sommer. Lockdown, Kontaktbeschränkungen, geschlossene Bars, Clubs und Diskotheken sind für uns Singles ja nun sowieso schon das Armageddon. Das Virus kann wahrscheinlich vor Lachen nicht schlafen wenn es auf seinen Erfolg weltweit blickt und verbreitet sich munter weiter. Ausgerechnet jetzt haben wir den schönsten Sommer hier im Norden in den 5 Jahren die ich nun hier wohne. Sind wir ehrlich, an unserem Single Dasein in diesem Jahr etwas ändern zu können haben wir bereits abgeschrieben. Das allein ist hier im Norden ja schon schwierig. Auch ohne ein Virus. Der Genpool hier scheint recht beschränkt und überhaupt und sowieso ist der Norddeutsche leider nicht so offen und kontaktfreudig wie wir im Osten.
Dieses Nichts nennt sich Schleswig-Holstein.
Wer an dieser Stelle meint ich würde übertreiben, der installiere sich Tinder und fahre einmal von Leipzig bis nach Schleswig-Holstein. Alle 100km checkt ihr dann mal was die App euch im Umkreis so vorschlägt und ihr werdet feststellen, die Attraktivität sinkt exponentiell im Verhältnis zu den Höhenmetern die es Richtung Küste abwärts geht. Durchquert ihr Hamburg ist das wie die letzte Tankstelle vor der Grenze an der es noch etwas zu trinken gibt bevor ihr in der Wüste jämmerlich verdurstet. Danach kommt lange nichts. Dieses Nichts nennt sich Schleswig-Holstein. Licht am Ende des Tunnels sieht nur der, der sich bis nach Dänemark durchtindert. Aber ich schweife ab…
Als ob all das in seiner Summe noch nicht schwer genug zu ertragen wäre, dachte sich das Wetter wohl, ich setze noch einen oben drauf und lass eure Hormone bei Temperaturen um die 30° Grad noch zusätzlich richtig hochkochen. Hell yeah!
Soziale Kontakte sind also seit Wochen auf ein absolutes Minimum reduziert. Aus Mangel an einem solchen hat man als Single logischerweise nicht die Möglichkeit diese Zeit mit einem Partner zu verbringen. Streitend oder liebend. Scheißegal, Hauptsache irgendeine Form zwischenmenschlicher Kommunikation. Aber nein. Man ist gezwungen sich mit sich selbst zu beschäftigen. Allein sein können ist ja bekanntlich etwas anderes als allein sein müssen.
Du musst hier mal raus. Dringend. Ganz ganz dringend!
Die Tage plätschern dahin wie der Schweiß auf der Stirn. Den 10 Uhr Gin Tonic baut man irgendwann fest in seinen Tagesablauf ein und wenn das Ganze noch eine Weile so weiter geht, kann man alle Netflix Serien synchron nachsprechen. Spätestens in dem Moment als du dich selbst beim masturbieren zu japanischen Alien Manga Pornos ertappst, wird dir klar: du musst hier mal raus. Dringend. Ganz ganz dringend!
An einem solch heißen Tag beschloss ich mir und meinen Hormonen etwas Abkühlung zu verschaffen. Das Wasser 100 Meter vor der Haustüre zu haben ist da schon ungemein praktisch. Zugegeben, ein paar Vorteile bietet der Norden auch. Also Handtuch schnappen, schöne Stelle mit etwas Ruhe für sich suchen und den faulen Körper in die Sonne schmeißen. Ach ja, und alle 15 Minuten ins kühle Wasser. Die Hormone. Ihr wisst schon.
Essentiell ist in diesen Zeiten natürlich, noch ein Selfie von sich am Strand mit Sonnenbrand (aber möglichst cool) zu machen und es mit Hashtags wie #lifeisbetteratthebeach und #seahabilitated in seiner Insta Story zu posten um zu zeigen was für ein geiles Life man doch führt. Das man den Scheiss Sonnenbrand nur hat, weil man Single ist und keiner da ist der einem den Rücken einschmiert, wäre zu viel Wahrheit für Instagram. Das verträgt ja keiner und will auch keiner wissen.
Für gewöhnlich antwortet niemand auf solche Storys. Jeder schaut nur neidisch auf den geilen (verlogenen) Scheiss des Anderen. Doch dann, ploppt plötzlich eine Push Benachrichtigung auf meinem Handy auf.
Wer zur Hölle hat denn da die ungeschriebenen Regeln von Instagram nicht verstanden und auf meine Story geantwortet? Erstmal zwei belanglose Smileys als Antwort schicken, später dann Profil checken und schauen wer sich dahinter verbirgt. So ist der Plan.
Nun, nennen wir sie einfach Lotta.
Wieder zu Hause und zwei oder drei Gin Tonic später wird es Zeit mal auf das Profil von – nun, nennen wir sie einfach Lotta – zu schauen. Küstenkind, Travel, Lifestyle in der Beschreibung und sechs Bilder auf denen sie überdurchschnittlich attraktiv und so gar nicht nach Schleswig-Holstein aussieht. Erster Gedanke: Fake Profil. Allerdings hat sie mir keinen Werbelink zu heiratswilligen Frauen aus Osteuropa geschickt die mich – und nur mich wollen. Schade eigentlich. Hab doch so ein Faible für Osteuropäerinnen.
Aus irgendwelchen Gründen wurde Lotta also meine Story angezeigt und sie hat darauf reagiert. Ihr Profil sagt wenig bis gar nichts aus. Aber es ist Corona Sommer, sie ist augenscheinlich sehr attraktiv und ich inzwischen bei Gin Tonic Nr. 4.
Männer wollen umsorgt werden.
Also antworte ich ihr dass ich es auch sehr schön fand, bis auf den Sonnenbrand den ich nun habe. Worauf sie mir prompt empfiehlt Quark auf ebendiesen zu schmieren. Ich frage mich zwar, wie ich das anstellen soll wenn ich schon nicht in der Lage war mir selbst Sonnencreme auf den Rücken zu schmieren, aber das ist nebensächlich im Moment. Sie ist anscheinend kein Fakeprofil und sie ist besorgt um meine Gesundheit. Und wir alle wissen – nicht das wir das je zugeben würden – aber Männer wollen umsorgt werden.
Der Kühlschrank gibt keinen Quark her, dafür aber Kirschjoghurt. Meine Frage ob das eventuell auch helfen würde bringt sie in der Sprachnachricht (mit einer sehr angenehmen Stimme) die sie mir daraufhin schickt zum Lachen und ich denke mir: Den Icebreaker muss ich mir merken.
Objektiv betrachtet muss ich zugeben, ich bin online viel hübscher als in echt und sie ist – zumindest optisch – nicht meine Liga. Vielleicht nicht mal meine Sportart. Ich bin ja eher so wie Kermit der Frosch, etwas zu klein geraten mit dünnen Armen, dünnen Beinen und etwas Bauch. Nur nicht ganz so grün. Der hat ja bekanntlich auch ganz gerne mal getrunken, war witzig und auf seine froschige Art charmant.
So, why not.
In Anbetracht der Gesamtsituation hatte ich also faktisch nichts zu verlieren und etwas Smalltalk war mehr soziale Interaktion als in den letzten Tagen zusammen. So, why not.
Aus dem Smalltalk entwickelt sich tatsächlich eine durchaus angenehme Unterhaltung deren Niveau stieg. Witzig, interessant, charmant und zunehmend auch sehr flirty. Aber ohne lahme zweideutige Anspielungen und Dick Pics die dem ganzen seinen Zauber rauben würden. Nachricht um Nachricht und diverse Sprachmemos später stellen wir fest, dass uns nur ca. 40km trennen, sie schwedische Wurzeln hat – was wiederrum erklärt weshalb sie so gar nicht schleswig-holsteinisch aussieht – wir Vorlieben für Erdbeereisbecher und Cocktails gemeinsam haben, an Einschlafproblemen leiden und beide stolze Besitzer eines Seitenschläferkissens sind. Und wir sind beide Single. Man schreibt sich “Guten Morgen” und “Gute Nacht” und fragt wie der Tag des anderen so war und die Konversation läuft angenehm entspannt.
Wer von euch Geschwister hat kennt vielleicht die Situation aus seiner Kindheit Süßigkeiten anzulecken und als “Meins!” zu markieren. So oder zumindest so ähnlich funktioniert das ja auch auf Instagram. Nur mit dem Unterschied hier den anderen in Bildern und Storys offiziell anzulecken – äh, zu verlinken. Spätestens als man sich gegenseitig in den Storys verlinkt ist der Moment gekommen in welchem man ernsthaft darüber nachdenkt, nach einem Date zu fragen.
Nun, angeleckt hatten wir uns. Zeit vielleicht also das Ganze einen Schritt weiter zu führen. Ich mag diese Art Dates bei denen man sich irgendwo bei einem Kaffee gegenüber sitzt und krampfhaft versucht eine Unterhaltung am Laufen zu halten nicht besonders. Man will sich ja wohl fühlen. Lieber irgendwo draußen wo beide Raum haben und wenn es nicht klappt der eine nach links und der andere nach rechts seiner Wege gehen kann. Ohne noch quälende Minuten auf den Kellner warten zu müssen um den blöden Kaffee zu bezahlen.
Sie mochte die Schaukel hier mit Blick aufs Wasser aus einer meiner Insta Storys, am Hafen in der Nähe gibt es die leckersten Erdbeereisbecher und Cocktails weit und breit. Alles in allem nicht die schlechteste Location für ein erstes Date wie ich finde.
Wie der Corona Sommer weiter ging und das Date mit Lotta lief – wenn es denn eines gegeben hat – erfahrt ihr demnächst hier in Ghost, keine Nachricht von Lotta (Part 2).
Wenn ihr bis dahin Lust auf andere Geschichten habt, schaut doch mal bei den Mädels von www.romantischerwirdsnicht.com vorbei. Die teilen sich zwar ihre Männer nicht (buh, langweilig) aber dafür mit euch ihre Geschichten.
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