Leipzig. Ich habe gerade ein paar Tage Urlaub. Was also tun mit dieser ganzen Freizeit. Kochste mal wieder was, dachte ich mir. Es ist zwar angenehm wenn dich fast jeder Lieferservice aus der Umgebung beim Namen kennt sobald deine Nummer bei ihm im Display aufblinkt, aber wenn schon Zeit ist, herrje, dann kannste auch mal selber etwas Wasser heiß machen. Gleichzeitig würde ich damit meinem chronisch leeren Kühlschrank mal wieder einen Sinn in seinem tristen Dasein zu geben. Also warf ich mir die Jacke über und machte mich auf zu meinem geliebten Assi Rewe Markt am Adler.
Assi Rewe Markt – diesen Beinamen trägt er, weil ich ihn mag, weil er hier in den Kiez passt. Eine Art Institution, ein Treffpunkt der Kulturen und Subkulturen. Hier nickt man sich noch gegenseitig zu. Man kennt sich eben. Auch wenn man sich nicht kennt. Hier stehen Hippster, Druffi und Schlipsträger nebeneinander vorm Käseregal. Hier entdecken Punks und Nazis auf einmal Gemeinsamkeiten wenn sie beide ihr Billigdosenbier auf das Einkaufsband legen. Hier ist es sogar irgendwie in Ordnung wenn man Samstagabend noch schnell eine Flasche Wein holen möchte und der Fussboden in der Getränkeabteilung sich genauso schlickig anfühlt wie der Boden der Toilette einer Hamburger Hafenkneipe. Man sieht auch gelassen darüber hinweg wenn doch mal wieder einer irgendwo in die Ecke gekotzt hat. Kiez. Is eben so. Und wenn dann die kräftig gebaute, mit ihrem Stuhl bereits verwachsene, Kassiererin, in ihrem lebensbejahendem schwarzem Rewe Pullover, die seit Anbeginn der Zeit hier arbeitet, mit gewohntem Befehlston “PAYBACKKARTE!?” blökt, herrscht ein paar Sekunden andachtsvolle Stille. Ein Stück heile Welt wenn man so will.
Tja, und diesen einen meinen geliebten Assi Rewe Markt haben sie jetzt zu gemacht. Ein paar hundert Meter weiter steht direkt neben einem dieser riesigen Fitnesscenter, also die Art bei der man von außen zuschauen kann, wie die sich drinnen mehr oder weniger elegant abquälen für 19,95 € im Monat, ein neuer Betonklotz. Groß. Eckig. Steril. Mit Rewe-Schild. Da drin ist es hell, aufgeräumt – ja sogar so aufgeräumt das man nichts, aber auch rein gar nichts findet – die dicke Kassiererin wurde gegen so ein Püppchen mit zarter Stimme ausgetauscht und irgendwie ist auch das Publikum gleich viel steriler geworden. Und so ein bisschen Kultur ist damit ebenfalls gestorben.
Neu ist nicht immer besser.
Update: So sieht die Ecke heute aus.

Leipzig | Neuer Rewe am Adler
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